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Bericht Kathpress-Tagesdienst Nr. 249, Graz, 20. Oktober 2015
Tagung über Franziskaner im NS-Widerstand
Der Widerstand von Franziskanerinnen und Franziskanern gegen das NS-Regime stand im Mittelpunkt einer Tagung in Graz. "Es wird nie der Punkt erreicht sein, an dem genug über die NS-Zeit gesprochen
wurde", so P. Oliver Ruggenthaler, Provinzial der Franziskanerprovinz Austria, in seinen Worten zur Eröffnung des Symposions, bei dem vor allem die konkreten Lebenszeugnisse von Ordensfrauen und -männern im Mittelpunkt standen.
Anlass für die international besetzte Veranstaltung war das Gedenkjahr 2015: Vor 70 Jahren wurden die beiden österreichischen Franziskaner Kapistran Pieller und Angelus Steinwender von den Nationalsozialisten ermordet. Die Gestapo verhaftete am 6. Juli 1943 Provinzial P. Steinwender im Wiener Kloster, am 23.
August holten NS-Schergen den Eisenstädter Hausoberen P. Pieller. Sie waren Mitglieder der NS-Widerstandsorganisation "Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs" (AFÖ). Am 11. August 1944 wurden beide Patres sowie weitere
Widerstandskämpfer zum Tod verurteilt. Begnadigungsbitten des Wiener Kardinals Theodor Innitzer blieben erfolglos.
Als sich der Frontverlauf immer mehr dem Wiener Stadtgebiet näherte, mussten die noch im Landesgericht Wien Inhaftierten am 5. April 1945 abends zu Fuß in Richtung Stein/-Donau marschieren. Nach mühevollem Marsch trafen sie am 9. April 1945 im Zuchthaus Stein ein. Am 15. April 1945 ließ die SS die Gefangenenzellen im Gefängnis Stein öffnen und schleppte je zwei Häftlinge in den Gefängnishof, wo sie erschossen wurden. Unter ihnen waren auch Steinwender und Pieller. Die beiden Patres fanden ihre letzte Ruhestätte in einem Massengrab in Stein. Die Franziskaner bemühten sich vergeblich um die Leichen ihrer Mitbrüder. Im Wiener Franziskanerkloster befindet sich ein Gedenkstein für P. Steinwender und P. Pieller.
Eine weitere Persönlichkeit des franziskanischen Widerstands war P. Zyrill Fischer (1892-1945), der in seinen Schriften stets gegen den Nationalsozialismus aufgetreten war. Bereits 1924 leitete er von Wien aus eine katholische "Beobachtungstelle" der Operationen der Nationalsozialisten in Deutschland. Sofort nach dem Einmarsch verließ er Österreich. Von Kalifornien aus beobachtete er die weitere Entwicklung in Europa. Fischer starb am 11. Mai 1945.
Auch Sr. Restituta Kafka stand bei der Tagung im Mittelpunkt. Sie war 1915 in den Orden der Franziskanerinnen der christlichen Nächstenliebe ("Hartmannschwestern") eingetreten, ab 1919 war sie im Krankenhaus Mödling als OP-Schwester tätig. Die Folgen des "Anschlusses" an Hitlerdeutschland 1938 waren auch im Spital zu spüren. Schwester Restituta war aufgrund ihrer offenen Ablehnung des neuen Regimes - sie weigerte sich etwa, die Kruzifixe der Krankenzimmer zu entfernen - im Visier der Gestapo. Ein Spitalsarzt denunzierte sie nach der Vervielfältigung eines pazifistischen Soldatenliedes und eines Bericht über eine Bekenntnisfeier der Katholischen Jugend im Freiburger Münster: Die Ordensschwester wurde am 18. Februar 1942 verhaftet, am 29. Oktober 1942 zum Tod verurteilt und am 30. März 1943 im Wiener Landesgericht enthauptet.
Seliggesprochen wurde Maria Restituta von Papst Johannes Paul II. am 21. Juni 1998 in Wien. Sie ist die einzige von einem NS-Gericht zu Tode verurteilte Ordensfrau in Österreich.
Der Titel des Symposions lautete "Widerstand - Martyrium - Erinnerung. Franziskanische Reaktionen auf den Nationalsozalismus".
Vortragende waren u.a. die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler, der Innsbrucker Dogmatiker Roman Siebenrock und die Jägerstätter-Expertin Erna Putz sowie die Hartmannschwester Edith Beinhauer. Unter den Teilnehmern waren u.a. der emeritierte Grazer Bischof Egon Kapellari und der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz, Reinhold
Esterbauer.
Auf dem Tagungsprogramm stand u.a. auch ein gemeinsames Gebet in der Franziskanerkirche für alle Opfer von Terrorismus und Diktaturen. Die Veranstalter luden weiters zur Filmvorführung von "Der neunte Tag" von Volker Schlöndorff ein - ein Drama über die Verfolgung regimekritischer Geistlicher in der NS-Zeit. Weiters wurde bei der Tagung u.a. auch das Lebenszeugnis von Franz und Franziska Jägerstätter thematisiert. Veranstalter waren die Franziskanerprovinz Austria, die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Graz und die Grazer Schulschwestern (Franziskanerinnen von der Unbefleckten Empfängnis).
Franziskanische Reaktionen auf den Nationalsozialismus
Graz, 16.-17. Oktober 2015
Während der Zeit des Nationalsozialismus schwiegen Teile der katholischen Kirche, arbeiteten partiell mit den Machthabern zusammen oder leisteten
Widerstand gegen die Diktatur bis hin zum Martyrium. Anlass für dieses internationale Symposium ist das Gedenkjahr 2015 – siebzig Jahre nach
der Erschießung der österreichischen Franziskaner Kapistran Pieller und Angelus Steinwender durch die Nationalsozialisten und dem Tod von Zyrill
Fischer OFM im amerikanischen Exil im Jahr 1945.
Thematisiert werden bei dieser Tagung die Ideologie des NS-Regimes, franziskanisch inspirierte
Frauen und Männer und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus, Formen des Widerstandes, aber auch der Kollaboration, Verfolgung und Martyrium
sowie die Frage des Erinnerns und Gedenkens innerhalb der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten. In einer eigenen liturgischen Feier wird der Opfer
von Terrorismus und Diktaturen gedacht.
Freitag, 16. Oktober 2015
Im Franziskanerkloster Graz, Franziskanerplatz 14,
8010 Graz, Franziskussaal, 1. Stock
Moderation: Michaela Sohn-Kronthaler
09.30 Uhr: Begrüßung durch den Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät
Graz und den Provinzial der Franziskanerprovinz Austria
Musik: Vera Ronai FIC
Einführende Worte zu den Begleitausstellungen
10.00 - 11.00 Uhr
Barbara ZEHNPFENNIG, Passau: Die gedankliche Vorbereitung
des Holocaust: Hitlers Weltanschauung
11.00 - 12.00 Uhr
Theo SALEMINK, Tilburg: Laetus Himmelreich OFM und
die Amici Israël
12.15 Uhr
Mittagessen im Kloster
Moderation: Paul Zahner OFM
14.00 - 15.00 Uhr
Stefan KITZMÜLLER OFM, Maria Enzersdorf: Zyrill Fischer OFM
(1892-1945). Katholischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus
in Österreich vor 1938
15.00 - 16.00 Uhr
Ewald DONHOFFER und Eduard PRENGA OFM, Graz: Herman Leo van
Breda OFM: Die Überführung von Husserls Nachlass nach Leuven. Ein
Beitrag zum europäischen Gedankengut im Zeichen des Widerstandes
und der Verfolgung (1938/39 und 1942)
16.00 - 16.30 Uhr: Kaffeepause
16.30 - 17.30 Uhr
Edith BEINHAUER SFCC, Rom: Provokateurin des Glaubens –
die Franziskanerin Sr. Restituta Kafka im Widerstand
18.00 Uhr
Gebetsgedenken an die Opfer von Terrorismus und Diktaturen
(Franziskanerkirche)
19.00 Uhr
Abendessen im Kloster
20.00 Uhr, Schubertkino, Mehlplatz 2, 8010 Graz
Filmabend „Der neunte tag“ von Volker Schlöndorff
Einführung durch Christian Wessely
Samstag, 17. Oktober 2015
Im Universitätszentrum Theologie (UZT),
Heinrichstraße 78, 8010 Graz, Hörsaal Regilind und Irmingard von
Admont (47.01), Erdgeschoß
Moderation: Christian Wessely
9.00 - 10.00 Uhr
Roman A. SIEBENROCK, Innsbruck: Wirksames Zeichen des Reiches
Gottes unter uns: Kleine Theologie des christlichen Martyriums
10.00 - 11.00 Uhr
Anton BUCHER, Salzburg: „Nein sagen lernen!“
Psychologische und pädagogische Erkenntnisse
11.00 - 11.30 Uhr: Kaffeepause
Moderation: Eduard Prenga OFM
11.30 - 13.00 Uhr: Workshops (Erste Runde)
* Rainer BUCHER: „Wirklich weit weg? Die Faszination des Nationalsozialismus
– Versuchungen und Lehren“ (nur am Vormittag)
* Willibald HOPFGARTNER OFM: „Hitler in uns“? Thomas Mann
(„Bruder Hitler“) und Max Picard („Hitler in uns“)
* Maximilian LIEBMANN: Das todeswürdige Vergehen des Provinzials
P. Dr. Angelus Steinwender OFM und des P. Guardian DDDr. Kapistran
Pieller OFM sowie der Freispruch von P. Hartmann Staudacher OFM
* Christof MÜLLER: Ansgar Brehm OFMconv und Leopold Moosbrugger
OFMcap im Fadenkreuz nationalsozialistischer Verfolgungsbehörden
* Erna PUTZ: Franz und Franziska Jägerstätter – Beispiele religiösen
Glaubens in der NS-Zeit
* Kurt REMELE: Widerstand in der Demokratie? Beispiele,
Berechtigung, Begrenzung
* Michaela SOHN-KRONTHALER: Christinnen im Nationalsozialismus
* Christian WESSELY und Tobias KOSZOGOVITS OFM: Diskussion
zum Film „Der neunte tag“
13.00 Uhr
Mittagessen im UZT – Einladung durch den Bürgermeister der
Stadt Graz Siegfried Nagl
14.30 - 16.00 Uhr Workshops (Zweite Runde)
Moderation: Sonja Dolesch FIC
16.00 - 17.00 Uhr
Plenum
17.15 Uhr
Vernissage zur Ausstellung „Steine“ von Peter Bär im Kunstgang der
Bibliothek im UZT
Veranstalter:
Franziskanerprovinz Austria,
Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Graz und
Grazer Schulschwestern (Österreichische Provinz der Franziskanerinnen von
der Unbefleckten Empfängnis)
Inhaltliche Konzeption:
Eduard Prenga OFM,
Michaela Sohn-Kronthaler,
Paul Zahner OFM
OrganisatorInnen:
Sonja Dolesch FIC, Siegfried Kager, Eduard Prenga OFM,
Hans-Walter Ruckenbauer, Michaela Sohn-Kronthaler,
Christian Wessely, Paul Zahner OFM
Nächtigungsmöglichkeiten:
Haus der Stille
www.haus-der-stille.at, Tel.: +43 3135 82625, info@haus-der-stille.at
Exerzitienhaus der Barmherzigen Schwestern
Tel.: +43 316 716020, bhs.exerzitien@aon.at
Bildungshaus Mariatrost
www.mariatrost.at, Tel.: +43 316 391131, office@mariatrost.at
Mit freundlicher Unterstützung:
Land Steiermark
Bürgermeisteramt der Stadt Graz
Universität Graz
Verein zur Förderung der Theologie
Bildhinweis:
Sr. Maria Restituta Kafka,
Bronzeskulptur, Alfred Hrdlicka,
Barbarakapelle der Domkirche St. Stephan zu Wien
Kontakt:
graz@franziskaner.at
theologisches.dekanat@uni-graz.at