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Papst Franziskus hat ein
Heiliges Jahr ausgerufen;
ein Jahr der Barmherzigkeit.

Weltweit laden Heilige Pforten
zur Begegnung mit Gott ein.
Auch das Tor zur Klosterkirche.

Wer hier eintritt, vertraut sich
der Barmherzigkeit Gottes an
und wird erinnert, selbst
barmherzig zu sein.

Wie Gott mir, so ich dir.

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Geschenktes Tun: Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit

von
Br. Paul Zahner OFM, Franziskanerkloster Graz


Seit dem 8. Dezember hat unsere Franziskanerkirche in Graz eine „Pforte der Barmherzigkeit“, die von unserem Bischof für unsere Kirche bestimmt worden ist. So gehe ich öfters an den sieben leiblichen (und auch den sieben geistlichen) Werken der Barmherzigkeit leiblich vorbei, die auf der Mitteilungstafel in der Pforte notiert sind. Schon theoretisch von der Barmherzigkeit berührt zu werden ist ein längerer Such-Weg, aber ganz praktisch sieben leibliche Werke der Barmherzigkeit in meinem Alltag zu tun wird zu einem noch tieferen, schöneren und schwierigeren Weg. Wie geht dieser Weg?

Sofort muss ich an das Meditationsbild des schweizerischen heiligen Bruders Klaus von Flüe (1417-1487) denken: In der Mitte steht das Christusbild als Zeichen der geheimnisvollen dreieinen Wirklichkeit Gottes. Von ihm gehen drei Strahlen aus und zu ihm kommen drei Strahlen zurück von und auf die sechs Glaubensbilder hin (Verkündigung, Geburt Jesu, Schöpfung, Kuss des Judas, Kreuz, Eucharistie). In den Glaubensbildern ist immer ein Symbol für eines der Werke der Barmherzigkeit dargestellt (Krücken, Stab und Tasche, Brot und Wein, Fessel, Gewand, Bahre). Sie zeigen das Leben in der glaubenden Nachfolge Christi als konkretes Tun der Barmherzigkeit. Was aber ist das konkrete christliche Leben in den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit?

Gehen wir durch die sieben Barmherzigkeits-Werke hindurch:

1. Kranke besuchen (Krücken): Der Engel Gabriel besucht Maria und bringt ihr die frohe Botschaft neuen Lebens, der Erlöser Jesus Christus. Darum können auch wir bereit werden Kranke, die eine Krücke brauchen und uns nicht mehr besuchen können, beizustehen und sie zu besuchen. Auch wir können und sollen aus dem eigenen Glauben die frohe Botschaft unseres liebevollen Daseins kranken Menschen im Besuch handfest verkünden.


2. Fremde beherbergen (Stab und Tasche): Maria wird Mutter Jesu und birgt das nackte Kind liebevoll in ihrer Zuwendung. Auch zu uns kommen Menschen in Not, Obdachlose und Flüchtlinge, nur mit Reisestab und einer einzigen Tasche und möchten Schutz und Halt in ihrer Haltlosigkeit bekommen. Immer ist die Not der Menschen zu groß für uns und wir sind überfordert, aber weise und liebevoll können wir uns immer neu vielen Einzelnen zuwenden und ihnen das Notwendige mit offenem Herzen schenken.


3.-4. Hungernde speisen und Durstigen zu trinken geben (Brot und Wein): Der Vater im Himmel schafft die Welt, Mond und Sterne, Engel und Geschöpfe und nährt sie ohne Berechnung mit seiner Güte, mit Brot und Wein. Auch wir können Menschen erleben, denen das Grundlegendste, Essen und Trinken, fehlt und wir dürfen und sollen dies großzügig austeilen, um diesen Menschen die Lebensgrundlage zu sichern. Dadurch bekämpfen wir barmherzig in Hunger und Durst die grundlegendste aller Nöte. Und dies sogar mit dem feinen Wein.


5. Sich um Gefangene sorgen (Fessel): Judas küsst Jesus und verrät ihn mit diesem Liebeszeichen. Auf dem Bild von Sachseln tut er dies verräterisch von hinten, auf dem Holzschnitt im Pilgertraktat (um 1487) Auge in Auge von vorne. Menschen im Gefängnis können unter ihrer Schuld schwer leiden und fühlen sich ausgestoßen. Einzig unsere barmherzige Zuwendung wird oft zu einem konkreten Bild, dass Jesus selber sie weiterhin liebevoll anschaut. Die Sorge für Gefangene sollte darum von uns aus nie aus Scham fallen gelassen werden. Wir dürfen die Würde auch Gefangener erleben.


6. Nackte bekleiden (Gewand): Christus hängt in einer letzten Verachtung nackt am Kreuz und fühlt sich völlig dem Blicke der Zugaffenden ausgeliefert. Menschen, die keine anständigen, sauberen und geflickten Kleider mehr haben, verlieren ihre letzte Würde und werden bei ihrem Auftreten sofort verachtet. Ihnen durch Kleider diese leibliche Würde wieder zu schenken, ist ein wichtiges Werk liebevoller Barmherzigkeit.


7. Tote in Würde verabschieden (Bahre): In der Feier der Eucharistie wird Jesus ganz gegenwärtig und ein Verstorbener kann im Gottesdienstfeiern für ihn bewusst in die Barmherzigkeit Gottes hinein gestellt werden. Wie oft werden auch bei uns Tote beinahe vergessen und zu ihrer Beerdigung kommt (fast) niemand. Den Leib eines Toten nochmals zu ehren bedeutet sein Leben als wertvoll anzuschauen, sogar in der achtungsvollen Mitfeier des Totengottesdienstes eines Menschen, den ich selber nur aus der Ferne kannte.
Wie ineinander gefügte Zahnräder vereinen sich auf dem Meditationsbild von Bruder Klaus die einzelnen christlichen Glaubensgeheimnisse mit den leiblichen (und auch geistlichen) Werken der Barmherzigkeit. Ich kann nicht nur christlich glauben, ohne immer neu zu versuchen die Werke der Barmherzigkeit zu vollbringen. Wenn ich dem barmherzigen Gott in Jesus Christus im Glauben begegne, versucht er meine eigene Barmherzigkeit aus mir heraus zu lieben, so dass sie zu tätigen Werken leiblicher Barmherzigkeit an Anderen werden können. Und wenn ich im Umgang mit anderen Menschen barmherzig zu leben versuche, wird mein eigenes Tun zu einem kleinen wertvollen Bild der Barmherzigkeit Gottes an uns Menschen. Gottes Barmherzigkeit eröffnet meiner Barmherzigkeit einen Weg und meine Barmherzigkeit bereitet mich vor, Gottes Barmherzigkeit zu erleben. Nie ist dieser Weg harmlos. Er ist immer neu wie ein gewagtes Abenteuer, das ich in diesem oder jenem Bereich heute oder morgen entdecken kann. Darum kann es nur Wege und Pforten der Barmherzigkeit geben, da ich diese nie besitzen kann, sondern sie mir immer neu geschenkt wird. Ich kann einen Weg der Barmherzigkeit gehen. Haben Sie heute schon Barmherzigkeit geschenkt bekommen oder Barmherzigkeit weiter schenken können?